Die Open-Source Saatgut Lizenz

Privatisierung: Im Widerspruch zur Sortenvielfalt

Traditionell ist Saatgut ein Gemeingut. Doch immer mehr Saatgut wird privatisiert, indem Patente und Sortenschutz geltend gemacht werden. Wenige Chemie-Konzerne kontrollieren inzwischen den Großteil des kommerziellen Saatgutmarktes. Solche Saatgut-Monopole entscheiden auch, was bei uns auf den Teller kommt. Sie erzielen ihre Gewinne mit wenigen Hochleistungssorten. Der freie Zugang zu Zuchtmaterial wird immer weiter eingeschränkt und die Landwirtschaft wird zunehmend einheitlicher. Die ehemalige Sorten- und Geschmacksvielfalt geht mehr und mehr verloren. 


Open-Source: Von der Software zum Saatgut

Bisher war es nicht möglich, Saatgut rechtlich als Gemeingut zu schützen. Das bedeutet, wenn gemeinnützige Züchter auf Sortenschutz verzichten und ihre neuen Sorten ohne Einschränkung allen zur Verfügung stellen, besteht noch immer die Gefahr, dass andere daraus ein privates Gut machen. So werden Gemeingüter zwar geschaffen, aber nicht erhalten. Die Open-Source Saatgut Lizenz schließt diese Lücke. Die Open-Source Regeln wurden erstmals von Computer Wissenschaftlern definiert und aus dem Bereich der freien Software auf Saatgut übertragen. 


Copyleft: Einmal Gemeingut, immer Gemeingut

Alle Nutzer und Nutzerinnen verpflichten sich, zukünftigen Empfängern und Empfängerinnen des Saatguts und seiner Weiterentwicklungen die gleichen Rechte einzuräumen, die sie selbst genossen haben. Jede darüberhinausgehende Beschränkung (z.B. Patentierung und Sortenschutz) ist nicht rechtmäßig. Diese Verpflichtung ist viral und wird auch als copyleft-Klausel bezeichnet, denn nicht nur das lizenzierte Saatgut selbst, sondern alle seine Weiterentwicklungen fallen unter diese Klausel. Dadurch wird eine Kette von Lizenzverträgen in Gang gesetzt, die im Prinzip unendlich ist. Die Lizenz sichert langfristig ein Gemeingut, das nicht mehr in ein privates Gut überführt werden kann.

Die 3 Regeln der OSS-Lizenz

Unüblich für eine Lizenz erlaubt die Open-Source Saatgut Lizenz fast alles. Außerdem fallen keine Lizenzgebühren an.

  1. Alle dürfen Open-Source Saatgut nutzen, also anbauen, vermehren, züchterisch bearbeiten sowie im Rahmen bestehender Gesetze verkaufen, tauschen und verschenken.
     
  2. Niemand darf das Saatgut und seine Weiterentwicklungen privatisieren. Patent- und Sortenschutz sind also ausgeschlossen.
     
  3. Zukünftigen Empfängern und Empfängerinnen werden die gleichen Rechte und Pflichten übertragen. 

Open-Source Saatgut Lizenzvertrag

Du kannst den Lizenztext in voller Länge entweder als pdf herunterladen oder hier einsehen:

Open-Source Saatgut Lizenz

LIZENZVERTRAG

Präambel

Mit Erwerb und Nutzung des unter den Bedingungen dieses Lizenzvertrages erworbenen Saatgutes akzeptieren Sie als Lizenznehmer die Regelungen dieses Lizenzvertrages. Diese Bestimmungen haben eine freie Nutzung von Saatgut zum Ziel. Lizenzgeber ist jene natürliche oder juristische Person, die Ihnen dieses Saatgut überlässt. Begünstigter der Lizenzvereinbarung ist die AGRECOL e.V.

Jede Nutzung des Saatgutes ist deshalb nur nach Maßgabe dieser Lizenzbestimmungen zulässig, um das Ziel der freien Nutzung, Weiterentwicklung, Kultivierung, Verbreitung und Vermehrung von Saatgut ohne Monopolisierung durch einzelne zu erreichen. Als Lizenznehmer verpflichten Sie sich, eine Nutzung dieses Saatgutes oder seiner Vermehrungen und Weiterentwicklungen Dritten gegenüber nur auf die in dieser Lizenz vorgesehenen Art und Weise zu beschränken. Insbesondere verzichten Sie auf jede Beanspruchung von Sortenschutzrechten, Patentrechten oder anderen gesetzlich möglichen Ausschließlichkeitsrechten am Saatgut oder seiner Vermehrungen und Weiterentwicklungen.

Die Lizenzbestimmungen verpflichten Sie zugleich, aus dem vorliegenden Saatgut gewonnenes Saatgut sowie Weiterentwicklungen des Saatgutes wiederum diesen Lizenzbestimmungen zu unterstellen und nur unter diesen Bedingungen an Dritte weiterzugeben („Copyleft“). Verstoßen Sie gegen die Verpflichtungen aus diesem Lizenzvertrag, so erlöschen Ihre Nutzungsrechte an dem Saatgut oder daraus gewonnenem Saatgut und seinen Weiterentwicklungen. Zudem ist der Begünstigte in diesen Fällen berechtigt, Unterlassung und Zahlung wie in diesem Vertrag vorgesehen von Ihnen zu fordern (Vertrag zu Gunsten Dritter).

1. Begriffsbestimmungen

Für diese Lizenz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  • 1.1. Saatgut. Als Saatgut im Sinne dieses Vertrages gelten ruhende, generative Fortpflanzungsorgane wie Samen, Früchte, Scheinfrüchte, Fruchtstände oder Teile davon, sowie alle vegetativen Pflanzenorgane aus denen – mit welchen Methoden auch immer – ganze Pflanzen erzeugt werden können, sowie Pollen, weiterhin auch alle in diesen Pflanzenorganen enthaltenen informationellen Komponenten, die jeweils unter den Bedingungen dieser Lizenz in den Verkehr gebracht wurden oder aus solchem Saatgut durch Vermehrung gewonnen oder weiterentwickelt wurden.
  • 1.2. Vermehrung ist jede Art der Reproduktion, also die Neuoder Weitererzeugung von Saatgut. Zur Vermehrung zählen auch technische, heute auch noch unbekannte Methoden der Extrahierung genetischer Erbinformationen zum Zwecke der Erzeugung von Saatgut mit bestimmten Eigenschaften.
  • 1.3. Inverkehrbringen: das Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben von Saatgut an andere.
  • 1.4. Weiterentwicklungen sind Züchtungen neuer Pflanzen, wobei im Laufe der Züchtung zumindest an einer Stelle eine Beteiligung von Saatgut gemäß dieses Lizenzvertrages erfolgt ist – unabhängig davon, ob es sich bei diesen Weiterentwicklungen um Sorten, Populationen oder andere Pflanzengruppierungen oder Einzelpflanzen oder Teile von Pflanzen handelt.
  • 1.5. Das copyleft Prinzip verpflichtet alle künftigen Pflanzenzüchter den Nutzern ihrer Weiterentwicklungen dieselben Rechte einzuräumen, wie jene, die sie selbst genossen haben.
  • 1.6. Lizenzgeber: Der bisherige Besitzer des Saatgutes, der rechtmäßig dieses dem Lizenznehmer überlässt unter Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages, wobei die Nutzungsrechte am Saatgut gemäß Artikel 3 übertragen werden.
  • 1.7. Lizenznehmer: Jeder, der das Saatgut nach Maßgabe dieser Lizenzbestimmungen in seinen Besitz bringt oder verwertet.
  • 1.8. Begünstigter: AGRECOL e.V., Hauptstr. 15, D-88379 Guggenhausen

2. Vertragsabschluss

  • (1) Der Lizenzgeber erklärt mit diesen Lizenzbestimmungen gegenüber jedermann ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages über die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Saatgut nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Lizenznehmer das Saatgut erwirbt oder sonst im Einvernehmen mit dem Vorbesitzer an sich bringt, spätestens aber wenn er die Packung des Saatgutes öffnet. Die Annahmeerklärung muss dem Lizenzgeber nicht zugehen.
  • (2)  Der Lizenzgeber tritt seine Rechte aus dem Lizenzvertrag, insbesondere die Rechte auf Unterlassung und Schadenersatz gemäß Vertragspunkt 6. mit Abschluss des Lizenzvertrages an den Begünstigten ab.
  • (3)  Diese Lizenzvereinbarung ist als ein zivilrechtlicher Vertrag zu verstehen. Sie gilt ab Erwerb des Saatgutes oder der Öffnung der Verpackung als rechtlich verpflichtend angenommen, selbst wenn der Erwerber den Bedingungen der Lizenzvereinbarung widerspricht, die Saatgutnutzung aber beginnt.

3. Umfang der Lizenzrechte

  • (1)  Mit Zustandekommen des Lizenzvertrages wird dem Lizenznehmer das Recht eingeräumt, das vollständige Saatgut, so wie er es bekommen hat, unter den Bedingungen dieser Lizenz zu nutzen.
  • (2)  Das Saatgut darf für jeden Zweck und von jedem, der die Bedingungen dieser Lizenz akzeptiert, genutzt werden, insbesondere auch zur Weiterentwicklung.
  • (3)  Der Lizenznehmer darf das Saatgut an andere weitergeben, vermehren, weiterentwickeln und vermehrtes oder weiterentwickeltes Saatgut verbreiten, dies aber nur unter der Bedingung, dass er allen anderen, an die er solches Saatgut verbreitet, eine Kopie dieser Lizenzvereinbarung zur Verfügung stellt und die Dritten auch an diese Lizenzvereinbarung rechtlich bindet und dies gegenüber dem Begünstigten auf Verlangen nachweist. Diese rechtliche Bindung kann durch schriftliche, mündliche oder konkludente Zustimmungserklärung der Dritten erfolgen. Weiterentwicklungen sind nach der Verbreitung als „Saatgut“ im Sinne dieser Lizenz zu betrachten.
  • (4)  Das copyleft Prinzip verpflichtet den Lizenznehmer, den künftigen Besitzern des Saatgutes, daraus vermehrten Saatgutes oder von Weiterentwicklungen des Saatgutes, dieselben Rechte und Pflichten zu überbinden, wie jene, die er selbst erworben und übernommen hat. Jede darüber hinausgehende Beschränkung der Rechte am Saatgut gegenüber Dritten, insbesondere auch Beschränkungen auf Grund gesetzlich eingeräumter Sonderrechte (Sortenschutzrechte, Patentrechte, Markenrechte, Urheberrechte o.Ä.) ist verboten und unzulässig.

4. Pflanzenmaterial-Index

  • (1) Der Begünstigte kann einen eigenen Pflanzenmaterial-Index zur Verfügung stellen, in den alle Gruppierungen von Saatgut wie z.B. Sorten (identifiziert anhand von Charakterisierungskriterien) und deren Weiterentwicklungen aufgenommen werden. Von Lizenznehmern vorgenommene Weiterentwicklungen sind in Form eines lebensund vermehrungsfähigen Saatgutmusters dem Begünstigten zur Aufnahme in den Pflanzenmaterial-Index zur Verfügung zu stellen.
  • (2)  Der Pflanzenmaterial-Index wird vom Begünstigten nach Erstellung auf seiner Website veröffentlicht.
  • (3)  Die Nutzung aller Sorten und Weiterentwicklungen, die in diesen Pflanzenmaterial-Index aufgenommen werden, darf in keiner anderen Weise als durch die Bestimmungen dieses Lizenzvertrages beschränkt werden.
  • (4)  Herkunft und Eigenschaften des Materials werden vom Begünstigten in dem Pflanzenmaterial-Index angegeben und sind dort jederzeit einsehbar.

5. Rechte Dritter und staatliche Verbote

Ist der Lizenznehmer aufgrund von Rechten Dritter oder staatlicher Verbote verpflichtet, bei der Verwertung des Saatgutes von den Regelungen dieser Lizenzbestimmungen ganz oder teilweise abzuweichen, darf er das Saatgut und Vermehrungen davon nur für private, nicht-kommerzielle Zwecke nutzen.

6. Erlöschen der Rechte bei Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen

  • (1)  Verstößt der Lizenznehmer gegen diese Lizenzbestimmungen, erlöschen seine Nutzungsrechte an dem Saatgut oder dessen Weiterentwicklungen unmittelbar. Insbesondere kann der Lizenznehmer vom Begünstigten auf Unterlassung der Verbreitung des Saatgutes, von Vermehrungen des Saatgutes oder von Weiterentwicklungen des Saatgutes sowie auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden.
  • (2)  Das Erlöschen der Nutzungsrechte nach Absatz 1 hat auf die Rechte anderer Nutzer keinen Einfluss, solange diese selbst die Lizenzbestimmungen nicht verletzen.

7. Anwendbares Recht, Gerichtsstand, Sonstiges

  • (1)  Auf diese Lizenzbestimmungen findet deutsches Recht Anwendung.
  • (2)  Stellt sich eine der vorstehenden Klauseln als unwirksam heraus, berührt dies die Wirksamkeit dieser Lizenzbestimmungen im Übrigen nicht.
  • (3)  Soweit die Lizenznehmer Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich rechtliche Sondervermögen sind, ist der Gerichtsstand Berlin.
  • (4)  Der Begünstigte ist berechtigt, seine Rechte aus dieser Vereinbarung jederzeit an Dritte schriftlich abzutreten.
  • (5)  Sollte eine der Bestimmungen dieser Lizenzvereinbarung ungültig, unwirksam oder undurchsetzbar sein oder werden, so berührt dies nicht die Wirksamkeit der übrigen Lizenzbestimmungen. Die betreffende Bestimmung wird vielmehr durch eine solche gültige und wirksame Bestimmung ersetzt, die dem wirtschaftlichen Willen der Vertragsparteien, insbesondere den in der Präambel festgelegten Zielen der Lizenzvereinbarung am Nächsten kommt.

Appendix zur Lizenz

Um jedermann die Rechte zur freien Nutzung des Saatgutes nach Maßgabe dieser Lizenzbestimmungen verschaffen zu können, ist bei jeder Weitergabe des Saatgutes der nachstehende oder ein gleichwertiger Hinweis auf die Geltung dieser Lizenz und deren Fundort deutlich darzustellen und beizufügen.

Open Source Lizenz für Saatgut - Text für die Verpackung

Saatgut mit gleichen Rechten und Pflichten für alle. Mit Erwerb des Saatguts oder bei Öffnung der Verpackung dieses Saatguts akzeptieren Sie im Wege eines Vertrages die Regelungen eines kostenfreien Lizenzvertrages. Sie verpflichten sich vor allem, die Nutzung dieses Saatgutes und seiner Weiterentwicklungen nicht z.B. durch Beanspruchung von Sortenschutzrechten oder Patentrechten an Saatgutkomponenten zu beschränken. Zugleich dürfen Sie das Saatgut und daraus gewonnene Vermehrungen nur unter den Bedingungen dieser Lizenz an Dritte weitergeben. Die genauen Lizenzbestimmungen finden Sie unter www.opensourceseeds.org/Lizenz. Wenn Sie diese Bestimmungen nicht akzeptieren wollen, müssen Sie von Erwerb und Nutzung dieses Saatguts Abstand nehmen.

 

 

Quelle und Zitierweise:

Kotschi, J. und K. Rapf (2016). Befreiung des Saatguts durch open source Lizensierung. Arbeitspapier. AGRECOL. Guggenhausen.

 

Die Netzausgabe dieses Werks ist unter einer Creative Commons Lizenz vom Typ Namensnennung - Wei-
tergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen,
konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ oder wenden Sie sich brieflich an Creative Commons, 444 Castro Street, Suite 900, Mountain View, California, 94041, USA.

Weitergabe von Open-Source Saatgut

Bei Weitergabe des Saatguts muss über die Open-Source Lizenz und ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Das bedeutet, zusammen mit der Übergabe des Saatguts muss auch eine Kopie der Lizenzvereinbarung oder ihre Kurzfassung übergeben werden. Je nach Art und Menge des Materials gibt es verschiedene, einfache Möglichkeiten.

 

Bei größeren Mengen

Eine Unterschrift auf der Lizenzvereinbarung ist der beste Beweis für die Anerkennung der Lizenzbedingungen. Darum empfehlen wir beim Versadt größerer Mengen von Saatgut die Beilage dieses Infoblattes.


Auf Saatgut-Tütchen

Für eine Weitergabe der Lizenzbestimmungen ist der Abdruck dieser Kurzversion auf den Saatgut-Tütchen erforderlich. Mit Kenntnisnahme dieses Textes kommt der Vertrag zustande.

Saatgut mit gleichen Rechten und Pflichten für alle
Erwerb des Saatguts oder bei Öffnung der Verpackung dieses Saatguts akzeptieren Sie im Wege eines Vertrages die Regelungen eines kostenfreien Lizenzvertrages. Sie verpflichten sich vor allem, die Nutzung dieses Saatgutes und seiner Weiterentwicklungen nicht z.B. durch Beanspruchung von Sortenschutzrechten oder Patentrechten an Saatgutkomponenten zu beschränken. Zugleich dürfen Sie das Saatgut und daraus gewonnene Vermehrungen nur unter den Bedingungen dieser Lizenz an Dritte weitergeben. Die genauen Lizenzbestimmungen finden Sie unter https://opensourceseeds.org/Lizenz. Wenn Sie diese Bestimmungen nicht akzeptieren wollen, müssen Sie von Erwerb und Nutzung dieses Saatguts Abstand nehmen.


Jungpflanzen-Verkauf

Auch beim Verkauf von Jungpflanzen ist die Information über die Lizenzvereinbarungen wichtig, da aus den Früchten wieder neues Saatgut gewonnen werden kann. Eine attraktive Möglichkeit ist die Zugabe von bedruckten Pflanzensteckern.

Erläuterungen zur Lizenz

1. Rechtliche Erläuterungen


Die Lizenz schützt Saatgut, nicht Sorten
Mit dem Vertrag findet eine Rechte-Einräumung an dem gleichzeitig übergebenen Material statt. Aus Anlass des Material-Transfers wird ein Vertrag geschlossen, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten an diesem Material und an allen seinen zukünftigen Entwicklungen regelt. Dabei bezieht sich der Vertrag auch implizit auf die dem Material innewohnenden genetischen Informationen.

Eine Sorte dagegen ist etwas Ideelles und kann nicht Gegenstand einer Material-Übertragungsvereinbarung sein. Insofern hat die Open-Source Lizenz auch einen grundsätzlich anderen Charakter als der Sortenschutz. Über eine Sorte als Bezeichnung von etwas Immateriellen kann rechtlich nur verfügen, wer an dieser Sorte ein geistiges Eigentumsrecht hat. Dieses Sortenschutzrecht kann der Staat verleihen, aber es kann nur Saatgut in Verkehr gebracht werden.

Unabhängig davon kann ein Züchter seine mit der OS-Saatgutlizenz versehene Neuzüchtung nach den Bestimmungen des Saatgutverkehrsgesetzes auch als Sorte registrieren lassen. Saatgut, dass dann im Katalog des Bundessorten-Amtes als Sorte eingetragen ist, kann dann als solche vermarktet werden.


Die Open-Source Lizenz – ein zivilrechtlicher Vertrag
Die Open-Source Saatgut Lizenz ist ein Vertrag sui generis, der sich auf das Bürgerlich Gesetzbuch (BGB) gründet. Er kann als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eingestuft werden, weil er einseitig von einer Partei gestellt, nicht im Einzelnen ausgehandelt und für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Die Grundeigenschaften der OSS-Lizenz bestehen darin, dass dem Nutzer unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt und er verpflichtet wird, seine Umgestaltungen oder Weiterentwicklungen zur allgemeinen Nutzung gemäß den Lizenzbedingungen öffentlich zugänglich zu machen.

Kenntnisnahme der Lizenzbedingungen
Die Lizenz ist ein zivilrechtlicher Vertrag. Solche Verträge können schriftlich, mündlich oder auch konkludent, d.h. durch schlüssige Verhaltensweisen zustande kommen. Wer also Saatgut unter der Open-Source Lizenz verkaufen, verschenken oder tauschen möchte, muss die Bedingungen der Weitergabe klar und deutlich zur Grundlage des Vertrages machen. Paragraph § 305 II BGB besagt, dass der Verwender der AGB, also der Lizenzgeber, bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei, also den Lizenznehmer, ausdrücklich auf die Lizenzbedingungen hinweisen und ihm die Möglichkeit geben muss, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Außerdem muss die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden sein.

Dies bedeutet, dass jede Weitergabe des erhaltenen Saatgutes nur unter Kenntnisnahme der Lizenzvereinbarung durch den Empfänger rechtmäßig ist. Hierfür reicht eine Kurzfassung aus mit Verweis auf die Langfassung im Internet.

Für professionelle Händler, die z.B. kleine Saatgutmengen in Supermärkten, Gartenzentren oder Baumärkten vertreiben, bedeutet das, den nötigen Kurztext auf die Saatguttüte zu drucken mit Verweis auf den Langtext im Internet. Für private Nutzer größerer Mengen, z.B. für Landwirte oder andere kleine Akteure bedeutet das, dem Saatgut eine Kopie der Lizenz beizulegen und den Empfänger auf die Geltung der Lizenz hinzuweisen. Weitere Hinweise dazu siehe unten


Eine Lizenzverletzung liegt vor, wenn Open-Source Material für die Neuentwicklung einer Sorte genutzt wird, die mit Patent oder Sortenschutz belegt werden soll. Dies lässt sich mit einer Kombination verschiedener Maßnahmen nachweisen.  

Das Nagoya-Protokoll als Grundlage
Die wichtigste ist die Analyse des Züchtungsprozesses einer neuen Sorte. Gemäß den Bestimmungen des Nagoya-Protokolls ist heute eine detaillierte Dokumentation für jeden Züchtungsprozess verpflichtend. Der Nutzer von pflanzengenetischem Material muss dokumentieren zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort und zu welchen Konditionen er dieses erhalten hat. Ergänzend wird ein Vergleich von Phänotyp und anderen Eigenschaften der Ausgangsorte mit der Neuentwicklung durchgeführt. 

Grundsätzlich gilt also: Lizenzverstöße können auch vor Gericht geahndet werden. Unsere Lizenz ist auf der Grundlage des deutschen Zivilrechts abgefasst und kann daher im Rahmen des internationalen Zivilrechts in den meisten Staaten der Welt auch durchgesetzt werden. Doch wir sind nicht Big Brother. Wir verstehen die Überwachung und Sicherstellung, dass Open-Source auch Open-Source bleibt, als eine gemeinsame Aufgabe und Verantwortung aller Nutzer und Nutzerinnen, da ein ungeahndeter Lizenzverstoß negative Rückwirkungen für alle haben könnte. Es geht also auch darum, einen sozialen Prozess in Gang zu setzen, in dem alle gemeinsam die Verantwortung tragen und Beobachtungen austauschen.


Ein Kettenbruch ist dann gegeben, wenn der Lizenzgeber den Lizenznehmer nicht über die Lizenzbestimmungen informiert, oder wenn der Lizenznehmer diese ignoriert. Ein solcher Vertragsbruch wird allerdings nur bedeutsam, wenn nachfolgend eine Sorte entsteht, die mit privaten Eigentumsrechten belegt wird (z.B. Patent oder Sortenschutz). Wird Open-Source Saatgut nach einem Vertragsbruch nur für den privaten Anbau verwendet, ist ein Vertragsbruch rechtlich betrachtet für andere Nutzer des Gemeinguts relativ unproblematisch.

Die Wirksamkeit der Lizenz bleibt unbeeinträchtigt
Rechtlich abgesichert ist ein solcher Kettenbruch durch folgenden Mechanismus: Wird ein Lizenznehmer vertragsbrüchig, erlöschen die aus dem Lizenzvertrag abgeleiteten Nutzungsrechte unmittelbar. Rechte, über die man nicht verfügen darf, kann man auch nicht rechtswirksam weitergeben. Damit ist jede rechtmäßige Weitergabe des Saatguts an Dritte ausgeschlossen.

Findet im Folgenden eine unrechtmäßige Weitergabe statt, kann der Empfänger dieses Saatguts belangt werden, wenn er daraus z.B. eine sortengeschützte oder patentierte Sorte auf den Markt bringt. Dies gilt auch dann, wenn er zum Zeitpunkt des Erwerbs keine Kenntnis von den Lizenzbedingungen hatte. Hier hilft uns das Nagoya Protokoll, denn gemäß der Nagoya Bestimmungen muss der Nutzer von genetischen Ressourcen ohnehin dokumentieren und nachweisen können, dass er die genetische Ressource rechtmäßig erworben und Vereinbarungen zum Vorteilsausgleich abgeschlossen hat. In der Nagoya Compliance Dokumentation muss drinstehen, dass keine Einschränkungen bzw. welche konkreten Einschränkungen und Bedingungen vorliegen.

Ein Kettenbruch ist reparabel
Solch ein Kettenbruch kann durch den Empfänger, der an einer solchen unrechtmäßigen Transaktion beteiligt ist, durch eigenes Handeln repariert werden, nämlich indem der unrechtmäßige Empfänger sich von Anbeginn des Besitzes so verhält, als ob der Lizenzvertrag gültig zustande gekommen wäre. (§6 (2) Lizenztext). 

2. Finanzierung von Open-Source Saatgut


Man könnte einwenden, mit der Open-Source Saatgut Lizenz sei es nicht möglich, die Züchtung neuer Sorten zu finanzieren. Pflanzenzüchtung sei nur über die Einnahmen aus Sortenschutz oder Patentrechten möglich. Dieses Argument lässt sich in mehrfacher Hinsicht entkräften. Historisch betrachtet wurde der größte Teil landwirtschaftlichen Saatguts ohne Zwangsabgaben entwickelt. In vielen Entwicklungsländern folgt die Pflanzenzüchtung bis heute diesem Geschäftsmodell kaum, und auch in Industrieländern gibt es Züchtungsprogramme privater Unternehmen, deren Finanzierung ohne geistige Eigentumsrechte auskommt.

Gemeinnützige Sorten erbringen gesamtgesellschaftliche Leistungen
Ein anderer Aspekt ist noch wichtiger. Gemeinnützige Sorten sind mehr als nur ein landwirtschaftliches Produktionsmittel. Sie erbringen darüber hinaus viele gesamtgesellschaftliche Leistungen: Leistungen, die der private Saatgutsektor mit seinem Geschäftsmodell immer weniger liefern kann. Stichworte in diesem Zusammenhang sind: Erhaltung der Biodiversität, Pflege von Kulturlandschaften und ihren Ökosystemleistungen, Anpassung an den Klimawandel. So ist es nur folgerichtig, dass die Gesellschaft als Ganzes für die Kosten aufkommt. Nicht nur unmittelbare Nutzer wie Landwirte und Gärtner müssen in die Pflicht genommen werden, sondern auch Verarbeiter, Händler und Verbraucher – also letztlich die gesamte Wertschöpfungskette. Darüber hinaus muss auch der Staat seinen Beitrag leisten. Pflanzenzüchtung zur Schaffung von Gemeingütern ist dann eine gemeinnützige Aktivität und von Saatgut-Erzeugung, die einen eindeutig wirtschaftlichen Charakter hat, klar zu unterscheiden.

Die ökologischen Getreide- und Gemüsezüchter in Europa gehen mehrheitlich diesen Weg. Sie finanzieren sich über „Sortenentwicklungsbeiträge“ die mit den Saatguterzeugern und Landwirten ausgehandelt werden, über einen „Züchtungs-Cent“ bei Handel und Verarbeitung, sowie über staatliche Zuschüsse und Stiftungsgelder. Die so generierten Gelder für Pflanzenzüchtung sind bisher zwar noch gering, aber sie steigen von Jahr zu Jahr. Mehr dazu im Diskussionspapier: „Wer zahlt für das Saatgut?"

3. Open-Source und Gentechnik


Wir werden oft gefragt, ob die open-source Lizenz Saatgut auch vor Gentechnik schützen kann. Unsere Antwort lautet Ja. Aber um diese Frage genau zu beantworten, muss sie differenzierter betrachtet werden.

Gentechnik - Technologien in stetigem Wandel
Zunächst ist zu sehen, dass „die Gentechnik“ viele verschiedene Technologien umfasst, und es kommen immer neue hinzu. Deshalb lässt sich der Begriff auf Dauer nicht eindeutig definieren und bleibt schwammig. Nur ein Teil davon fällt unter das Gentechnik-Gesetz, gemäß Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) nun auch die viel diskutierten Methoden CRISPR/Cas. Gleichzeitig stößt die Regulierung durch Gesetze zunehmend an Grenzen. Denn die heute entwickelten gentechnischen Methoden zielen auf Rückstandsfreiheit und sind dann nicht mehr nachweisbar - beste Voraussetzung dafür dass Gesetze dann umgangen werden können. Zum Teil ist dies bereits gelungen.

Open-Source - ein dauerhafter Vertrag
Die Open-Source Lizenz verbietet, dass Saatgut unter exklusive geistige Eigentumsrechte gestellt wird. Dazu gehören Patente und Sortenschutz. Sie verbietet nicht die Verwendung einzelner Verfahren in der Züchtung, seien sie gentechnisch, klassisch oder heute noch unbekannt. Aus guten Gründen: Da die Methoden der Gentechnik sich in dauernder Veränderung und Weiterentwicklung befinden, müsste eine Lizenz, die „Gentechnik verbietet“ immer wieder angepasst werden. Aber dies ist nicht möglich und würde auch keinen Sinn ergeben, denn mit ihrem copyleftPrinzip, d.h. der Weitergabe der Lizenzbestimmungen auf Folgegenerationen des Saatguts ist die Lizenz auf Dauerhaftigkeit angelegt. Sie schafft ein dauerhaftes Commons. Sie kann nicht jedes Mal, wenn eine neue Gentechnik-Methode auf den Markt kommt, geändert werden.

Schutz vor Gentechnik – Open-Source als indirekter Hebel
Alle Gentechnik-Verfahren - auch CRISPR/Cas - sind zeit- und kostenintensiv und erfordern vergleichsweise hohe Investitionen in der Pflanzenzüchtung. Es wird zwar immer wieder behauptet, die neuen Methoden seien so einfach zu handhaben und daher sehr kostengünstig. Aber nach unserem Wissensstand ist diese Annahme falsch. Sollte es gelingen, beim Genom-Editing einzelne gewünschte Eigenschaften zu kombinieren, so muss dann ja die klassische Pflanzenzüchtung folgen, damit eine leistungsfähige Sorte daraus entstehen kann. Pflanzenzüchtung bleibt also ein langwieriger Prozess. Hinzu kommen hohe Zulassungskosten, damit die Sorten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auf den Markt gebracht werden dürfen. Diese können im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich liegen.

Betriebswirtschaftlich lässt sich dieser hohe Aufwand nur in Verbindung mit der Sicherung exklusiver Eigentumsrechte (also über Patente) rechtfertigen. Eben diese werden aber durch die Open-Source Lizenz ausgeschlossen.

Open-source verhindert, was von der Gemeinschaft nicht getragen wird
Das heißt: solange die Allgemeinheit mehrheitlich den Einsatz von Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ablehnt und nicht bereit ist, die dafür erforderlichen Mittel für öffentliche,  Pflanzenzüchtung und die erforderlichen Zulassungsverfahren aufzubringen, wird es auch keine eigentumsfreien, öffentlichen, GMO-Sorten geben. Es wäre nebenbei auch keine effiziente Mittelverwendung, denn mit den Kosten eines einzigen Zulassungsverfahrens könnten ca. hundert für die Landwirtschaft nützliche Sorten auf klassischem Wege gezüchtet werden.

Deshalb lautet unsere Antwort: De jure verbietet die Lizenz die Gentechnik nicht, de facto verhindert sie sie aber sehr wohl. Wir halten die Open-Source Lizenz für einen guten Schutzmechanismus und eine gleichwertige Alternative ist uns nicht bekannt.

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Die Liste der Open-Source Sorten findest Du hier.

Häufig gestellte Fragen

Noch Fragen? Antworten findest Du in unseren FAQs.

Sorte lizenzieren

Informationen zur Lizenzierung von Open-Source Sorten findest Du hier.

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